

Interview mit Stuttgarter Nachrichten
Welche Alternativen gibt es zur Gasheizung? Die Frage stellen sich derzeit viele. Antworten sucht ein Bürgerverein im Stuttgarter Norden.Bei Rainer Haug häufen sich die Anfragen aus der Nachbarschaft. Der 76-Jährige ist Vorsitzender des Bürgervereins Auf der Prag. Den Mitgliedern und seinen Nachbarn in der Siedlung Im Götzen im Stuttgarter Norden brennt eine Frage unter den Nägeln: Was können wir tun, um immens hohe Gasrechnungen zu vermeiden und um nicht im Winter im Kalten zu sitzen, falls Russland den Gashahn ganz zudreht. „Die Leute sind besorgt und würden am liebsten aufs Gas verzichten“, sagt er
Um den Vereinsmitgliedern und Nachbarn Rede und Antwort stehen zu können, hat sich Haug von Marcus Lischke beraten lassen. Seit die Gaskrise konkret ist, steht
auch bei dem Sanitär und Heizungstechniker das Telefon nicht mehr still. „In diesem Jahr ist es kaum noch möglich, eine neue, sparsamere Gasheizung zu bekommen“, sagt er. Die Lieferzeiten liegen statt bei zwei Wochen bei bis zu einem Jahr. Ad hoc lassen sich alte Heizungsventile austauschen und die Einstellung
von Hydraulik und Temperatur optimieren. Jörg Knapp vom Fachverband Sanitär, Heizung Klima Baden-Württemberg bestätigt die Lieferengpässe. Auch die Lieferzeit für die derzeit stark nachgefragten Wärmepumpen liegt nach seiner Auskunft bei bis zu einem Jahr. Weitere grüne Alternativen zur Gasheizung sind für die
Eigentümer von Mehrfamilienhäusern mit Gasetagenheizung in der Siedlung Im Götzen ein Anschluss ans Fernwärmenetz, Solarthermie oder Photovoltaik auf dem Dach, sofern die Dachfläche dafür ausreicht. Da Im Götzen die Gebäude größtenteils in den 1930er Jahren gebaut worden sind, sind sie nicht nach heutigem Standard gedämmt. Heißt: Wollen die Bewohner der Siedlung ganz weg vom Gas, müssen die Fenster ausgetauscht, Dach und Fassade gedämmt werden.
Die geschätzten Kosten dafür liegen laut laut Knapp bei 100 000 bis 150 000 Euro. „Eine solche Summe amortisiert sich erst in vielen Jahren “, stöhnt Haug. Er vermutet, dass sich die Senioren unter den Hausbesitzern eine Modernisierung in einem solchen Kostenumfang nicht mehr leisten wollen und ihre Erben später an Investoren verkaufen. „Und die lassen abreißen und bauen neu.“ Der Vereinsvorsitzende fürchtet, dass sich die Siedlung dadurch zum Nachteil verändert. Jörg Knapp rät zu einer schrittweisen Reduktion des Gasverbrauchs: Eine Wärmepumpe lasse sich auch in Kombination mit einer Gasheizung betreiben. „Eine solche Hybridanlage deckt den Wärmebedarf fürs Jahr größtenteils ab – sofern der Warmwasserbedarf nicht überdurchschnittlich hoch ist.“ Kombiniert mit der einen oder anderen Baumaßnahme zur Dämmung sei bei einer Investition von 20 000 bis 40 000 Euro schon einiges gewonnen. Der Vorteil: „Man kann nach und nach in weitere Maßnahmen investieren und den Gasverbrauch so immer mehr drosseln.“ Doch selbst wenn ein Eigentümer bereit ist, Geld für die energetische Sanierung in die Hand zu nehmen: Es gibt noch eine Menge Hürden zu überwinden. Abgesehen von den langen Lieferzeiten muss bei Wärmepumpen im Außenbereich Abstand eingehalten werden. Für Photovoltaikanlagen, durch die Sonnenstrahlung in elektrische Energie umgewandelt wird, gibt es laut Lischke derzeit keine Module. Und bei
Fernwärme? „Da müssen Leitungen in die Häuser gelegt werden, und die EnBW muss mitmachen.“ Außerdem müssen Anträge gestellt und Genehmigungen abgewartet werden. „Das dauert“, sagt Lischke. Und Rainer Haug zuckt nur mit den Schultern und stellt fest: „Da ist guter Rat teuer.“
zurück